Erlebnis unter Tage

Ein Blick in die BierUnterwelten

In einem ehemaligen Gär- und Lagerkeller unter dem Vilshofener Stadtplatz wird die über 700 Jahre hinweg dokumentierte Brauereigeschichte lebendig gemacht. Hier erfahren wir aber außerdem, was sich unter Tage abspielte und mit welchem Bier der Braumeister Joseph Groll weltweit bekannt wurde.

von Petra Anzenberger

Kegelscheiben, Kartenspielen und Geschäfte abwickeln – all das machte man Anfang des 20. Jahrhunderts in den 28 Vilshofener Wirtshäusern. Die Donaustadt, an der Reichsstraße Regensburg – Wien gelegen, war Station und Handelspunkt für Durchreisende, Händler und eine große Kundschaft. Besonders voll war es mittwochs beim Schrannenmarkt oder bei den großen Viehmärkten, wo der politische Aschermittwoch seinen Ursprung findet. Geselligkeit und nicht selten Bierseeligkeit standen im Mittelpunkt. Wirte und Brauereien machten gute Geschäfte. Vilshofen erblühte. 

Das erzählt uns Rudolf Drasch, Kreisheimatpfleger und Kenner der Biergeschichte Vilshofens. Er führt uns heute durch die „Bier- Unterwelten“ und verrät die großen Geheimnisse der Brauereigeschichte. Nachdem wir uns an der Litfaßsäule am Stadtplatz trafen, schreiten wir einige Stufen nach unten in ein prächtiges Gewölbe aus altem Backstein. Hier erwartet uns ein älterer Herr mit Hut. Er sitzt am Wirtshaustisch und fasst zu seinem Bierkrug. Doch der „Bierdimpfe“ ist kein Mensch. Vielmehr eine täuschend echte lebensgroße Puppe, aus Silikonmasse angefertigt. Über ihm hängt eine handbemalte Schützenscheibe, die ein Ehepaar zeigt, das über einem Braubottich steht. In der Hand hält die Frau einen langen Stiel, in dessen Schöpfer ein Baby herausblickt. Die Scheibe wurde zur Hochzeit der Brauersfamilie Schaudeck bemalt. Nachforschungen ergaben, dass das Ehepaar kurze Zeit später tatsächlich ein Kind erwartete, was aber tot geboren wurde. „Die Brauer haben sehr stark untereinander geheiratet. Man kann sagen, dass das schon fast ein eigener Stand war“, erklärt der Heimatpfleger. 

Er weiß außerdem, dass eine Brauerswitwe die Brauerei nur innerhalb des Trauerjahres alleine führen durfte. Sie musste sich deshalb schnell wieder mit einem Brauer verheiraten, ansonsten verlor sie die Konzession. Wir gehen weiter in den Keller hinein, auf Monitoren wird die Bierherstellung erklärt. Von Hopfen und Malz bis zum Gerstensaft. In Vilshofen wurden einst alle drei Rohstoffe gewonnen, erfahren wir. Das Wasser stammte nicht aus Brunnen, wie es vielerorts gängig war. Die Donaustadt hatte bereits im Spätmittelalter ein funktionierendes Wasserversorgungsnetz. In den „BierUnterwelten“ ruht ein Stück einer original „Wasserdeichel“, wie man die hölzernen Wasserrohre nannte. Sie stammt wohl aus dem 19. Jahrhundert. Alle sechs Brauereien am Stadtplatz versorgte man durch eine eigene städtische Leitung. „Da kamen natürlich Streitigkeiten auf, wenn die ersten in der Reihe zuviel Wasser verbrauchten und den Letzten immer weniger verblieb“, schmunzelt Rudolf Drasch. 

Container

Das konnte beim Hopfen nicht so leicht passieren. „Einen Teil des Hopfens zog man auf eigenen Feldern heran. Die Brauerei Wieninger hatte zum Beispiel in Waldhof und in der Bleiche Hopfenfelder. Auf großen hölzernen Stangen rankte er sich hoch, bis er reif zum Pflücken war. Davon zeugt ein großes Foto, aufgenommen kurz nach 1900 bei Ortenburg. Gerste und Weizen bezog man von umliegenden Bauern und stellte das Malz in der eigenen Mälzerei her. So bekam jedes der Biere seine charakteristische Geschmacksnote. Die Brauereien hatten über lange Zeit ein gutes Auskommen. Konkurrenz fürchtete man nicht, denn jedes der 28 Wirtshäuser hatte seinen Lieferanten zugeordnet. Der einheitliche Bierpreis wurde vom Staat bestimmt. 

Vom Krug ins Glas

Zunächst schenkte man das Bier überwiegend im Wirtshaus aus. Absatz brachten aber auch die Gassenschänken, an denen der Gerstensaft im Krug abgeholt wurde. „Im 20. Jahrhundert setzten sich allmählich die Glasflaschen durch. Erst war Weißbier in Literflaschen verkauft worden, dann auch helles Bier“. Weiße, grüne und braune Flaschen können wir zu rechter Hand bestaunen.

Wenige Meter weiter beeindruckt ein massives hölzernes Tor. Wo mag es wohl hin führen? Rudolf Drasch nimmt uns kurz zur Seite. Denn rechts davon hängen zwei große Eiszangen. Damit wurden aus Vils, Wolfach und umliegenden Weihern die Eisblöcke gezogen, die man zerkleinert in die Sommerkeller zum Kühlen brachte. So war es möglich, auch im Sommer frisches Bier zu trinken. Bevor elektrisch betriebene Kühlanlagen gängig wurden, nutzte man die Eiskeller zur Lagerung, schließlich war es jahrhundertelang verboten, von Georgi (23. April) bis Michaeli (29. September) Bier einzubrauen. 

Diese Technik, sein Bier in den mit Natureis gekühlten Sommerkeller zu bringen, nutzte auch die Familienbrauerei Groll, die im heutigen Volksbank-Gebäude untergebracht war. Aus ihr stammt der berühmte Vilshofener Braumeister, Joseph Groll (1813-1887). Mit 29 Jahren zog er in die Welt hinaus, besser gesagt ins böhmische Pilsen und beschied seiner Heimat eine große Ehre. Denn im Bürgerlichen Bräuhaus zu Pilsen erfand der Vilshofener das weltberühmte Pilsener. Ein untergäriges Bier mit würzigem Charakter. Noch heute kann man sich in Vilshofen auf seine Spuren begeben. Der ehemalige Sommerkeller seiner Familie, der als Gastwirtschaft und Bierlager diente, soll in den „Bier- Unterwelten“ schon bald virtuell durchschritten werden können. „Dabei kann man erleben, wie das mächtige Fuhrfass ankam, das Bier herausgepumpt und in Lagerfässer gefüllt wurde. Oder wie Joseph Groll durch den Eiskeller geht und das Bier in handlichen Fässern wieder abholen lässt“, verrät der Heimatforscher. 

Vilshofen und Schärding;
Traunstein und Erding
im Bayerland der Orte Vier,
wo man trinkt
das beste Bier.
Joseph Groll
Im Keller der Altstadt

Vor uns steht er bereits. Mit kostbarem Gewand und braunem Haar. So muss Joseph Groll also ausgesehen haben. Als wir vom lebensgroßen Pilserfinder zurück zum großen Eichentor gehen, erfahren wir: „Die Sommerkeller lagen außerhalb des Stadtzentrums, einzig und allein die ehemalige Brauerei Wieninger, in deren Gemäuer wir uns aufhalten, braute und lagerte ihr Bier in der Altstadt. Dafür ließ man mehrere Lagerkeller errichten“. Rudolf Drasch öffnet das Tor. Vor uns erstreckt sich ein langer Felsengang, feucht und angenehm kühl. Der Boden unter uns ist mit schweren Gretplatten aus Granit befestigt. Wenn man genau hinsieht, kann man noch Überreste der Schienenverankerung sehen. Hier wurden die Fässer vom Gär- und Lagerkeller am Stadtplatz hinauf zu den Sommerkellern auf der Bürg per Muskelkraft gerollt. Geschäftiges unterirdisches Treiben kann man sich lebhaft vorstellen. Ein langes und verzweigtes Gangsystem unterminierte einstmals die Stadt. Es verband die sechs ehemaligen Brauereien und führte von der Bürg bis hinunter zur Donau. Warum man sie in den Gneis schlug, blieb trotz tiefgehender Forschung ein Geheimnis. Vermutlich stammen sie aus dem Mittelalter und dienten den Bewohnern der Stadtburg zur Flucht. Die Ein- und Ausgänge hat man später gemauert. Links von uns ist eine kleine Rinne, auch Wasserseige genannt, in den Boden eingelassen, um das Bergwasser abführen zu können. Plötzlich klopft es in einem Seitenstollen. Dort sind zwei Steinhauer bei der Arbeit zu sehen. Wir gehen wieder weiter und zweigen nach links ab, wo der Stollen an einer Betonwand endet. Hinter ihr verbirgt sich einer von drei uralten gewaltigen Sommerkeller, der früher als Lagerkeller diente. Etwa 6,50 Meter unterhalb der Bürg, dem höchstgelegenen Terrain der Altstadt, müssen wir Halt machen und zurückkehren, obwohl der Felsengang bis zur Stadtmauer führen würde. Wirklich spektakulär! Zurück beim „Bierdimpfe“ genehmigen wir uns noch ein kleines Pils und sind stolz auf unser neues Wissen. 

 

Text: Zweckverband Tourist-Information Passauer Land 
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