Der Schlossgarten von Obernzell

Geschichte des Schlosses

Die Marktgemeinde Obernzell, früher auch Hafnerzell oder nur Zell genannt, liegt etwa zwanzig Kilometer östlich von Passau am linken Ufer der Donau. Sie wurde um 1220 Eigentum des Hochstifts Passau. 

von Dr. Wilfried Hartleb, Kreisheimatpfleger und Gartenbotschafter (Text und Bilder)

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Fürstbischof Georg von Hohenlohe, der 1423 verstarb, begann mit dem gotischen Bau, die Fertigstellung erfolgte 1426 unter seinem Nachfolger Bischof Leonhard von Layming. In diesem Jahr wurde die „Veste in der Zell" Sitz eines Pflegers. Teile dieser ersten Wasserburg mit rechteckigem Wohngebäude und kreisförmigem Mauerring mit Türmen und Wehrgang sind heute noch erkennbar. Die heutige Gestalt erhielt Schloss Obernzell unter Fürstbischof Urban von Trennbach in den Jahren 1581 bis 1583, der die spätmittelalterliche Burg in ein repräsentatives Renaissanceschloss umwandelte. Er verlängerte das Hauptgebäude nach Süden um zwei Fensterachsen bis zur Ringmauer,  erhöhte es um ein halbes Geschoß und versah es mit einem mächtigen Krüppelwalmdach. 

Den Festsaal hat Bischof Trennbach mit einem gemalten Papstfries und Inschriften ausgestattet, die über alle vier Wände laufen.
Seit der Säkularisation gehört das Schloss dem Freistaat Bayern. In den Jahren 1975/77 wurden umfangreiche Restaurierungen vorgenommen. So erhielten die Fassaden eine einheitliche Gliederung mit architektonisch gestalteten, gemalten Fensterumrahmungen. Zusätzlich wurden die Wehrtürme umgebaut, ein schmaler Zwinger an der Südseite und außerdem ein Garten angelegt. 

Das Schloss Obernzell beherbergt eine Zweigstelle des Bayerischen Nationalmuseums mit einer bedeutenden Keramiksammlung. Zudem organisiert der Kunst- und Kulturkreis Obernzell (KuKuK) in den Ausstellungsräumen im Erdgeschoss überregional bedeutsame Wechselausstellungen mit Werken der Bildenden Kunst. 

Der neue Schlossgarten - ein moderner Gartenentwurf

Einer der ideenreichsten und zukunftweisenden Gärten ist der neugestaltete Obernzeller Schlossgarten. Er entstand in den Jahren 2009 bis 2010 nach den Vorlagen des Architekten Alexander Feßl (Hauzenberg) und der Landschaftsarchitektin Barbara Alt (Passau). Das Gelände der ehemaligen Lederfabrik Münch und der bestehende Schlossgarten wurden zu einer großartigen Freizeitanlage „Schlossgarten“ umgestaltet. 
Der Schlossgarten, der neben dem Wasserschloss aus der Zeit der Renaissance liegt, hat er keinen musealen Charakter und stellt auch keine Rekonstruktion eines historischen Repräsentationsgartens dar. Doch steht der Garten im Einklang mit dem natürlichen Standort und der Architektur des Schlosses.

Bei der Planung wurde überlegt, welche Potentiale hat der Schlossgarten für die Zukunft und was kann er beitragen zum guten Leben für Jung und Alt und zur Stärkung der regionalen Identität?  Erholung an Leib und Seele, entspannen, genießen, aktiv sein, das war der Grundgedanke bei der Neugestaltung des Schlossgartens, der allen Altersgruppen, Einheimischen und Gästen offenstehen sollte. Der Gesundheits- und Erholungsaspekt sollte im Vordergrund stehen, doch nicht im Sinne eines Trimm-dich-Pfades.
 
Ästhetische Aspekte und künstlerische Ansprüche spielten bei der Planung ebenfalls eine zentrale Rolle, sollten doch auch die zahlreichen Musik- und Spielgruppen in Obernzell durch eine Openair Bühne die Möglichkeit für Aufführungen bekommen. Die Planer entwickelten so für Menschen aller Altersstufen einen erfrischend unterhaltsamen Parcours mit zeitgemäßer Note. Die gelungene Zusammenführung dieser Grundgedanken macht den Reiz des Schlossgartens aus und lässt ihn auch zum Sinnbild eines modernen der Öffentlichkeit zugänglichen Gartens werden. 
Im historischen Ambiente des Schlossareals gelegen und bestückt mit allerlei Kunstobjekten reiht sich der Schlossgarten in die lange Tradition der Gartenkunst ein, die allerdings mit einer zeitgenössischen Ästhetik und modernem Design aufs Schönste vereint ist. Er nimmt Elemente der Vergangenheit auf und trägt den Realitäten des heutigen Lebens Rechnung und lässt so den Spannungsbogen zwischen historischer und moderner Gartengestaltung aufleben. 
Dieser Schlossgarten nahe der Donau ist in eine schon von Natur aus prachtvollem Donaulandschaft eingebettet.
Die Besucher taucht bei seinem Rundgang in ein raffiniertes Blickachsensystem ein. Es ist ein Vergnügen, durch den mit Mauern umgürteten Schlossgarten zu streifen und ihn in immer neuen Blickwinkeln zu entdecken. Die historische Architektur des Wasserschlosses, die transparente Gestalt der Bühne, die Wassergärten, der Sinnes- und Spielgarten und Kunstwerke der Künstlerin Renate König-Schalinski (1942-2011) haben sich zu einer harmonischen und zugleich spannungsvollen Einheit gefunden. 

Bühne

Hinter dem Schloss nach dem historischen Wassergraben öffnet sich bis zur Bühne eine weite Rasenfläche, die von einem Rundweg umgeben ist. Rasenfläche und Rundweg, der aus einer wassergebundenen Decke besteht, werden gerne für allerlei sportliche Aktivitäten genutzt.

Blickfang im vorderen Schlossgarten ist die multifunktionale Bühne. Diese ist überdacht und hat vorne wie auch im rückwärtigen Bereich eine Art Tribüne oder Treppe mit überdachten Sitzgelegenheiten. An die Bühne angebaut sind Funktionalräume für Material sowie Toiletten. An die Bühne grenzt eine große hölzerne Pergola an, die bepflanzt wird. Für die Beleuchtung sorgen außer im Bereich der Bühne niedrige Leuchtpoller.

Wasser als belebendes Element

Wasser ist das belebende Element im Schlossgarten. Ein Wasserlauf schlängelt sich durch den Garten, wozu der verrohrte Eckerbach „angezapft“ wird und so ohne Pumpen ein natürliches Gerinne durch den Garten führt. Am Ende fließt das Wasser wieder ins Rohrsystem des Eckerbachs.
Wasser mit seinen glitzernden Lichteffekten und plätschernden Geräuschen übt wegen seiner Bewegtheit und weil es als Springbrunnen die vertikale Komponente ins Spiel bringt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Menschen aus. Die Menschen sind empfänglich für den Zauber des Wassers, der durch seine Spiegel- und Geräuscheffekte den Schlossgarten belebt. 

Der rechteckige, auf der einen Seite von Gräsern eingefasste Teich wirkt mit seinen Wasserfontänen erfrischend und fesselt das Auge. Von den Ruhebänken aus hat man einen Blick auf den hellgrünen Rasen, die von Efeu eroberte Mauer und die dunkelgrünen Laubbäume.

Die Brücke

Seit mehr als 200 Jahren werden Brücken als gestalterisches Element in Gärten einbezogen. Die Brücke im Obernzeller Schlossgarten scheint eine moderne und zeitgemäße Interpretation von Monets Brücken zu sein. Die Obernzeller Brücke erinnert in ihrer Gestaltung an die berühmten Bilder des französischen Impressionisten Claude Monet, dessen Brücke nach japanischem Vorbild seinen Seerosenteich überspannt und ihm sehr häufig als Motiv diente. Dem Obernzeller Schlossgarten verleiht diese schwerelos wirkende Konstruktion einen besonderen künstlerischen Reiz. 

Skulpturen der Stille von Renate König-Schalinski

21 Skulpturen aus Bronze, Stahl, Natur- oder Kunststein zieren einen Kunstweg beginnend am Schloss Obernzell durch den Schlosspark, dann zu einem Aussichtspunkt hoch über Obernzell, zurück zum Ort über Kirche und Rathaus und die Donaupromenade entlang zurück zum Schloss. Sie ermöglichen einen Gang, der eine Begegnung des Menschen mit sich selbst sein kann. Renate König-Schalinski verstand die Kunst als Brückenbau von Mensch zu Mensch. Sie blickte ins Herz, sie öffnete es. Sie sammelte Begegnungen, Beobachtungen, Gefühle, gab ihnen Form und Raum. 

Die Klangsäule - einen Stein zum Singen bringen

Der schwarze Granitblock ist poliert und auf ungefähr zwei Drittel Höhe mit Einschnitten versehen, die aufgeteilten Quader können so in Schwingungen gebracht werden. Diese Einschnitte ermöglichen es, den Stein schon durch einfaches Anschlagen mit der Hand zum Klingen zu bringen. Dabei schwingt der Block wie eine große Stimmgabel aus Stein.  Man kann aber auch den Klang durch Reiben des mit Wasser benetzten Steines erzeugen. Mit etwas Geduld gelingt es, zunächst einen schwachen Ton zu erzeugen, der dann mit etwas Übung lauter und vibrierender wird. Der Steinton ist voll und tief und schwingt durch die große Masse des Steins noch etwas nach.  Nach dem gleichen Prinzip funktioniert das Reiben von nassen Gläsern, um sie zum Tönen zu bringen.  
Man weiß, dass neben den Augen auch die Ohren besonders viel an Sinneseindrücken aufnehmen. Das Ohr hilft uns, die unsichtbaren Eigenschaften des Steins, wie Härte, Masse und Elastizität zu „sehen“. Klangerfahrung ist Kontakterfahrung. Die Schwingung des Steins überträgt sich nicht nur auf das Trommelfell, sondern auch auf die Haut und bei der Klangsäule auch intensiv auf die Hände. Das bedarf einiger Versuche und etwas Übung. Der Benutzer muss sich ganz auf den Stein einstellen, um die richtige Frequenz zu finden. Er erlebt dabei eine innige, lebendige Beziehung zu dem sonst harten und kalten Material.

Aparte Gräser als markante Elemente

Die Pflanzungen sind klar strukturiert, die zudem monochrom gehalten sind. 
Die Atmosphäre des Farb- und Sinnesgarten wird bestimmt von den Gräsern, eine zauberhafte Idee, die hier verwirklicht wurde. Die Gräser, die als das „Haar der Erde“ gelten, spenden Leichtigkeit, Transparenz, Dynamik und sind immer in fließender Bewegung. Die grazilen, anmutigen und hauchfeinen Gräser schwingen anmutig schon bei dem leisesten Lufthauch wie besänftigende Musik. Sie beleben die angrenzenden Lavendelbeete. Im Herbst verfärben sich die Gräser farbenfroh und im Winter verwandeln sich ihre großen Büschel zu interessanten Skulpturen. 

Das grüne Gewölbe

Das „grüne Gewölbe“ entlang der äußeren Umfassungsmauer wird von Glizinien geformt, die um Pfingsten herum mit ihrer üppigen blauen Blütenpracht ein überwältigendes Schauspiel bieten. Dann werden auch die nektarreichen und duftenden Blüten des Blauregens stark von Bienen und Hummeln beflogen. Die sommergrünen Kletterpflanzen haben diesen Teil des Schlossgartens für sich erobert und machen diesen verborgenen Ort mit seinen Bänken zu einem beliebten schattigen Aufenthaltsort in heißen Sommern, wo man auf der Bank sitzend durch die ovalen Öffnungen den Schlossgarten auf sich wirken lassen kann.  

Farb- und Sinnesgarten mit Lorbeerspirale und Summstein

Für den der ruhen, entspannen und nachdenken will, gibt es den Farb- und Sinnesgarten. Hier wachsen und blühen Blumen und Pflanzen in allen Farben. Dazu kommen ein Platz für ein großes Freiluftschachfeld, eine Fläche zum Boule-Spiel, Impulskugeln sowie ein großer Tisch zum Murmelspielen. 

Als Attraktion erwartet den Besucher eine Lorbeerspirale mit Summstein. Dies ist ein magischer Ort, denn die Spirale ist sehr symbolträchtig. Sie ist eine in der Natur sehr verbreitete Form (Embryos, Hörner, Strudel, Wirbelstürme, Galaxien). Auch erscheinen Spiralmotive in der Symbolik von Religion, Kunst, Träumen, volkstümlichen Erzählungen und Mythologien der ganzen Welt. Mathematisch betrachtet ist die Spirale eine Linie, die sich zu ihrem eigenen Zentrum hin oder von ihm weg entwickelt. 
Den besonderen Akzent erhält die Lorbeerspirale durch den sog. „Summstein“.

Der Oberzeller Summstein hat zwei Aushöhlungen, eines für die größeren Erwachsenen und eines für die Jüngeren. Die Aushöhlung nennt man  „Summloch“ und dient der Wahrnehmung der Sinne über spielerische Erfahrung mit der eigenen Stimme durch Summen und Resonanz. Steckt ein Mensch den Kopf in diese Höhle/Summloch und atmet tief summend aus, können die Töne in Resonanz geraten und erzeugen dadurch Vibrationen, die den ganzen Körper erfassen. Die Vibration ist mit der Hand im Halsbereich nachspürbar. Das Summen in verschiedenen Tonlagen löst ein stärkeres oder schwächeres Kribbeln im Körper aus, das man in Rücken, Bauch, Beinen bis hinein in die Fußsohlen spürt. Wahrscheinlich ist das Summen in menschheitsgeschichtlicher Frühzeit noch mehr als Tanz, Gesang, Trommeln und Flöte als eine belebende in Ton-Setzung des Gesamt- Organismus geübt worden. 
Steine mit Summlöchern sollen in vorchristlichen Katakomben auf der Insel Malta und in mittelalterlichen Klöstern in der Bretagne entdeckt worden sein. Sie seien in verschiedenen alten Kulturen vermutlich zur Heilung und Meditation benutzt worden.

Spielgarten

Für Spiel und Spaß des jungen Publikums stehen im Spielgarten zahlreiche Geräte bereit, Schaukeln, Rutschen, Wippen, Klettergerüste. Ein großes Spinnennetz ist ein Paradies für Klettermaxl. Dazu kommen zwei Klettertürme mit einer großen Rutsche und drei Kletterstangen. Wer an das Ende klettert, kann die Glocken läuten, die dort hängen. Sie sind stabil, abwechslungsreich und wetterfest.
Im unteren Bereich Richtung Donau haben die Kinder in der Wasserrinne Staumöglichkeiten, um  mit dem Wasser zu spielen.