Der Paradiesgarten auf Schloss Neuburg

Ein Juwel der Gartenkunst

Schloss Neuburg war einstmals der Herrschaftssitz der Grafschaft Neuburg, die bis 1803 zur Habsburg-Österreichs gehört hat. Der Paradiesgarten geht Georg Ludwig Graf von Sinzendorf (1616-1681) zurück, der Hofkammerpräsident des Kaisers Leopold I. (1658-1705) in Wien war. Umgürtet von einer Mauer, einem Portal und einer Grotte, mit einem Springbrunnen in der Mitte, ist dieser stimmungsreiche Paradiesgarten mit seiner opulenten und abwechslungsreichen Bepflanzung eine Freude für jeden Besucher.

Gartengeschichten über Schloss Neuburg am Inn mit seinem Paradiesgarten zum Reinhören (Audio-Podcast)

von Dr. Wilfried Hartleb, Kreisheimatpfleger und Gartenbotschafter (Text und Bilder)

Container

Der dekorative Lavendel, der die vier Gartenbereiche einrahmt, die Sommerblumen und die farbig gestalteten Beete bilden ein üppiges Gartengemälde. Der Paradiesgarten ist eine Schatzkammer botanischer Schönheiten, eine Welt, die vom Frühling bis zum Herbst mit Farben überflutet ist. Die Kombination zarter, pastelliger Farbtöne, dazu die kräftigen und leuchtenden Farbakzente sorgen für eine romantische, ja träumerische Atmosphäre. Die Blumen verströmen aromatischen Duft und der zentrale Springbrunnen belebt durch die Spiegel- und Geräuscheffekte des Wassers den Garten.

Der Garten ist rechteckig und viergeteilt. In der Mitte steht ein Brunnen. Seit der Antike versinnbildlicht dieses geometrische Schema das Urbild eines Gartens in den unterschiedlichsten Kulturkreisen und gilt als Abbild des Paradieses. Auch der Garten Eden (nach 1. Mose 2, 8 und 2, 15), der biblische Paradiesgarten des ersten Menschenpaares, war architektonisch umschlossen. In diesem eingefriedeten Bereich genossen die Menschen göttlichen Schutz. Die Christenheit des Mittelalters projizierte auf die Jungfrau Maria die Seele des paradiesischen Gartens: unberührt, unschuldig und geborgen. 

Die Gartengrotte - Juwel der Gartenkunst

Die Grotte steht im direkten Zusammenhang mit den merkantilistischen Unternehmungen und dem Wirtschaftsprogramm des Grafen Sinzendorf, denn sie bot ihm die Möglichkeit, mit farbenprächtigen Materialien den Reichtum seiner Grafschaft an natürlichen Schätzen anschaulich zur Schau zu stellen.

Die in Form einer Triumphbogenarchitektur im Jahr 1670 erbaute Grotte wird dem Passauer Domstuckateur Giovanni Battista Carlone (um 1640-1721) und seinem Gehilfen Giorgio Spazzo zugeschrieben. Die Grotte ist konzipiert als Kosmos im Kleinen, in dem die Natur kultiviert und durch Kunst überhöht wird. Es gehört zum Prinzip von Grotten, die Natur mit künstlerischen Mitteln nachzubilden und eine künstliche Natur neu zu schaffen. Dies geschieht durch die Verwendung von Materialien aus der Natur, die aber in kunstvoller Anordnung präsentiert werden. 
Die Neuburger Grotte ist ein phantastisches Bauwerk von schöpferischer Raffinesse. Sie veranschaulicht den Triumph der Kunst über die Natur, symbolisiert fürstlichen Reichtum und demonstriert aristokratische Repräsentation. Von der Gestalt her ähnelt die Grotte einem Mutterschoß und gilt als Metapher für die zeugende und formende Kraft der Nahrung spendenden Mutter Erde.
Um die Natur zu imitieren, spielt Giovanni Battista Carlone mit der Wirkung von unterschiedlichen, nach Farbe, Größe und Oberflächenstruktur geordneten Materialien: Schlacken, Kieselsteine, Bruchstückchen aus Kalkstein, Muscheln und gefärbte Tuffsteine. Zu neuen Materialkompositionen zusammengestellt sollten diese gefärbten Naturmaterialien in übersteigerter Form die Naturschöpfung einer natürlichen Grotte übertreffen.
Die Tuff- und Kieselsteine und die Kalksteinbröckchen sind ein Hinweis auf die Kalk- und Ziegelöfen, die in der Grafschaft betrieben wurden. Gerade nach dem Passauer Stadtbrand 1662 war riesiger Bedarf an Baumaterial zu decken. 

Die Schlacken sollten zeigen, dass in der Grafschaft Neuburg Erze zur Eisenherstellung gewonnen wurden. Der Muscheldekor weist auf Perlfischerei hin, denn am Laufenbach, der bei Seestetten in die Donau mündet, gab es beachtliche Bestände an Perlmuscheln. Wegen des Holzreichtums des Neuburger Waldes entstand auch eine Glasfabrikation in der Grafschaft Neuburg, die die Spiegel für die Grotte lieferte. 
Die schimmernden, flimmernden und farbenprächtigen Naturmaterialien sind zu fantasievollen geometrischen Ornamenten geordnet. Sie bilden den Schmuck der Fassade, des Fußbodens, der Wandfelder und der Decke. Als Anspielung auf die Natur als Schöpferin und Meisterin der Formgebung ist die gesamte Grotte verschwenderisch mit geometrischen, rot eingefassten Putzfeldern mit hellen Quarzkieseln, opalisierenden Muscheln und farbigen Schlacken geziert. Der Innenraum ist überfangen von einer freischwebenden Tropfsteinkuppel mit natürlichen Stalaktiten und künstlichen Tuffsteinzapfen.

Unzählige Muschelschalen haben die Stuckateure zu Blüten zusammengesetzt. In geometrischer Anordnung sind in diese schimmernden Muschelfelder zahlreiche runde Spiegel eingelassen, die das einfallende Sonnenlicht reflektieren, verstärken und damit phantastische Effekte erzeugen.
Die Vorliebe für das Absonderliche und Skurrile zeigt sich in den drei Termen (Hermen) an der Fassade, die als Atlanten gestaltet sind und eine architektonische Stütze bilden. Zwei dieser armlosen, männlichen, titanischen Himmelsträger flankieren als Wächter beidseitig die Fassade der Grotte.

Diese überlebensgroßen, vollplastisch durchgebildeten, muskulösen Atlanten sind grandios modelliert, ihre Haare, Bärte und Lendenschürze sind von Tropfstein überwuchert. Ihre Augen aus Spiegelglas beseelen ihr bizarres Mienenspiel. 
Die drei Termen (Hermen) machen durch ihr martialisches Aussehen aus der Grotte einen geheimnisvollen Ort, den man mit einer gewissen Ehrfurcht betritt.
Über einem abschließenden Muschelfries erhebt sich in Form eines Triumphbogens der über einem verkröpften Gebälk aufsteigende, silhouettenreiche, gesprengte Giebel, der einst von einer Imperatorenbüste des Grafen Sinzendorf bekrönt gewesen sein soll. 
Diese Inszenierung war ein Hinweis auf die stolze Zurschaustellung selbst die Natur beherrschende Macht des Grafen Sinzendorf, der als Beherrscher der Elemente Erde und Wasser den Triumph der Kunst über die Natur feierte. Oben auf seinem Ehrenplatz war Sinzendorf wie der Besucher des Gartens ein staunender Zuschauer des vor ihm liegenden Naturzaubers.

Die Grotte - ein Ort der Sinnesbetörung

Es ist ein ästhetischer Genuss, die Grotte zu betreten und sie still auf sich wirken zu lassen. Die Felder mit perlmutterweißen Fluss- und Meeresmuscheln schillern in rötlichen und bläulichen Farben wie ein Opal. Die konvex gewölbten Spiegel werfen in alle Richtungen ihre entzückenden Spiegelbilder, über die sich der Betrachter köstlich amüsieren kann.

Auch werden in der Grotte die mythischen Ursprünge des lebensspendenden Elements Wasser veranschaulicht und die zweifache Herkunft des Wassers als Regen und Quelle dargestellt. So stand unterhalb der Tropfsteinkuppel einstmals eine steinerne Brunnenschale mit einem Eisenaufsatz, wo ein Mohrenkopf eine vergoldete Kugel auf dem Wasserstrahl tanzen ließ. Hier wurde die Grotte vollends zu einem Ort der Sinnesbetörung. Der Besucher erlebte mit allen Sinnen, wie sich die Farbe des Himmels verstärkt durch die Wirkung der Gewölbespiegel im Wasser reflektierte. Dieses optischen Feuerwerks wurde noch gesteigert durch die Musik des Wassers. Im schimmernden und plätschernden Wasser der Brunnenschale kulminierte das abwechslungsreiche und raffinierte Spiel von Farbschattierungen, Schattenwurf und Lichtreflexen.

Dieses optische und akustische Sinnenerlebnis vermittelte die Illusion eines märchenhaften Raumes. Die überquellende Fülle der verwendeten Naturmaterialen sollte im Zusammenspiel mit dem Wasser den Besucher in wundersame Welten entführen.

Die Callot-Figuren im Paradiesgarten von Schloss Neuburg

Die Besucher der Neuburg können im Paradiesgarten von Schloss Neuburg acht sog. Callot-Figuren sehen, die auf Postamenten stehen. Es sind zwergenhafte Musikanten und Komödianten männlichen Geschlechts, deren Nachchöpfungen von dem Tittlinger Bildhauer Karl Mader (1926-2004) im Auftrag des Förderkreises Neuburg am Inn e.V. geschaffen wurden, da die originalen Neuburger Callot-Figuren sehr verwittert waren.

Sie stammen aus der Zeit des Grafen Johann Jakob von Hamilton (… 1716), kaiserlicher Kämmerer und Reichsgraf schottischer Abstammung.

Darstellungen von Kleinwüchsigen und Zwergengestalten finden sich schon in der Antike (Herkules und die Pygmäen). Zwerge werden in zahlreichen Mythen, Märchen und Legenden in allen Kulturen als Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten und im Besitz großer Schätze dargestellt. Bei Hofe dienten Kleinwüchsige aufgrund ihres Aussehens als Spaßmacher; sie genossen mehr Freiheiten als andere Höflinge, mussten aber auch allerlei böse Scherze ertragen.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden in Lustgärten Gartenskulpturen in Zwergengestalt aufgestellt, die auf die Radierfolge der „Gobbi“ des französischen Zeichners und Kupferstechers Jacques Callot (1592-1635) zurückgehen, der im Jahr 1616 am toskanischen Hof des Kunst liebenden Cosimo II. 20 Stiche von zwergenhaften Krüppeln schuf, die als Trinker, Duellanten, Bettler, Musikanten, Dickbauchige und Bucklige dargestellt sind.

Hundert Jahre später wurden diese Stiche von Bildhauern als Vorlage benutzt, um Skulpturen herzustellen. Es waren aber allein nicht die originalen Stichvorlagen Callots, die die Zwergenmode in der Gartenkunst auslösten, sondern nach-empfundene Kopien und Interpretationen seiner Figuren, die um 1710 im Stil der neuen Zeit in Augsburg erschienen sind. Die neuen Figuren, die die Komik der Figuren noch mit Tendenzen aus der Narren- und Zeitsatire erweiterten, hatten einen durchschlagenden Erfolg. Jeder Schlossbesitzer wollte für seine Parkanlagen solche grotesken Figuren besitzen, die man immer Callot-Figuren nannte.

In ihnen zeigt sich die Vorliebe des Barocks für die deformierte Natur, die aber beim Betrachter kein peinliches Gefühl vor Missgestaltetem aufkommen lässt. Die wunderlichen Gesellen sind Ausfluss einseitiger Übertriebenheiten des Charakters. Es werden Narren vorgeführt, die nicht Mitleid erwecken, sondern den Betrachter zum Lachen bringen wollen.

Die Neuburger Callottfiguren wurden von Sebastian Stumpfegger (1670-1749) geschaffen, der dem Salzburger Bildhauerkollektiv mit Attavio Mosto, Bernhard Michael Mandl und Hans Schwäbl angehörte. In der Zeit der Aufklärung gerieten diese missgestalteten Figuren aus der Mode. Die von dem Tittlinger Bildhauer Karl Mader nachgeschaffenen Callot Figuren im Paradiesgarten der Neuburg werden von den Besuchern sehr bewundert.