Graphit - Das schwarze Gold des Bayerwalds

Den Millionenbauern auf der Spur

In Untergriesbach warf das Land einst doppelt Früchte ab. Unweit von Passau verlaufen unter der Erde starke Graphitadern, die das schwarze Gold des Bayerwalds hervorbrachten. Die "Millionenbauern" entstanden. Von ihrem großen Reichtum zeugen noch heute herrschaftliche Anwesen. Denn das Mineral Graphit war und ist ein gefragter Rohstoff.

von Petra Anzenberger

Schwarze Graphitadern machten einst aus einfachen Bauern reiche Männer. Rein zufällig stießen die Landwirte hier in der Gegend auf das bleigraue, glänzende Material, das ihnen Reichtum und Wohlstand bescheren sollte. Aber auch Neid, Missgunst und Leid mit sich brachte. Überlieferungen zufolge hatte Ende des 18. Jahrhunderts ein schwerer Sturm einen Baum entwurzelt, darunter kam das dunkle, fast schwarze Mineral zum Vorschein. Aufgrund der Entdeckung machten sich immer mehr Bauern auf die Suche nach dem schwarzen Gold und hatten das größte Vorkommen in ganz Deutschland entdeckt. Das Graphitfieber brach aus. Die Kernzone im Unteren Bayerischen Wald bildete die Gegend um Kropfmühl, Pfaffenreuth und Leizesberg. Im Winter haben die Bauern ihre Knechte in die Grube geschickt und im Frühling, Sommer und Herbst die Felder bewirtschaftet. Der Boden hat also doppelt Früchte getragen und die Bauern strichen durch den Handel satte Gewinne ein. Die Millionenbauern entstanden. Ihre Erträge wurden meist für den Grunderwerb oder einen hohen Lebensstil eingesetzt. Im Untergriesbacher Gasthaus Lanz traf man sich im sogenannten „Millionenstüberl“ zum Kartenspielen, Geschäftemachen oder auf eine gute Zigarre. Die harte und gefährliche Arbeit verrichtete das Gesinde. 

Container
Harte Arbeit unter Tage

Versteckt unter Wiesen und Feldern verwittert das Erz in Oberflächennähe. Dadurch ließ es sich mit Pickel und Spaten abtragen. Sogar in offenen Gruben oder primitiven Schächten förderten die Bauern das Gestein. Je tiefer man allerdings kam, desto schwieriger wurde der Abbau. Eindringendes Wasser und abgebautes Material mussten durch die engen Schächte nach oben befördert werden – mit Körperkraft. Per Radlbock, also Schubkarre, wurde der Graphit horizontal im Stollen und per Handhaspel vertikal im Schacht nach oben befördert. Ein Relikt aus dieser Zeit ist noch heute in Scherlesreuth zu finden. Dort erzählt ein alter Förderschacht, der vom hiesigen Knappschaftsverein erhalten wird, die Geschichte von Seilwinden, Pickel und Spaten. Einige Bauern verstanden es, ihren Graphit zu vermarkten und den Profit zu mehren. Andere lebten über ihren Verhältnissen und verloren ihr Hab und Gut beim Glücksspiel. Ganz anders Anton Rouge. Der Franzose und später sein Sohn verstanden den Abbau und die Geschäfte. Vom Reichtum dieser Familien zeugen große Bauernhöfe mit mächtigen Anwesen und prächtige Grabmale auf den Friedhöfen. Nach dem Abbau musste das Gestein aufbereitet werden. Lange Zeit waren dafür eigene Graphitmühlen eingesetzt, mit deren Hilfe das Mineral zerstampft, gemahlen und gesiebt wurde. Immer tiefer und tiefer schlugen Knechte und später Bergmänner Schächte in den Untergrund. Der tiefste Abbauort liegt 230 Meter unter der Erde. Die aufgefahrene Strecke unter Tage beläuft sich heute auf über 100 Kilometer. Mittels Fuhrwerk und Pferdebahn hatte man den Graphit zum nächsten Bahnhof gebracht, damit er beispielsweise nach Obernzell – einst Hafnerzell – transportiert werden konnte. Am Ufer der Donau angekommen, verwendeten ihn die Hafner zur Schmelztiegelherstellung. Denn Graphit hält selbst sehr hoher Hitze Stand, wodurch die Schmelztiegel insbesondere zum Schmelzen von  Gold Nutzung fanden. 

Graphit

Graphit ist ein Mineral, das aus Kohlenstoff besteht und in Kristallform vorkommt. Ähnlich wie ein Diamant.
Seine Farbe ist bleigrau und matt glänzend. Abgebaut wird graphithaltiges Erz. Es schwärzt und schmiert. Besonders bekannt ist Graphit in der Mine des Bleistifts.

Bergmann im Graphitbergwerk Kropfmühl – © Tourismus Passauer Land - Fotograf Geisler

Doch der Untergriesbacher Graphit trat auch einen Siegeszug in viele Herrenländer an. Während des 1. Weltkrieges wurde der Rohstoff immer noch begehrter: für die Rüstungsindustrie. Der Staat griff ein und machte den Bauern hohe Auflagen, die kaum umzusetzen waren. Das Ende der glorreichen Zeit kündigte sich an. Die fortschreitende Industrialisierung verschärfte das Problem. Wie sollten die Bauern mit der rasanten technischen Entwicklung mithalten? Die meisten hatten vom Bergbau keine Ahnung. Ihre Knechte waren teils nur spärlich mit Werkzeug ausgestattet, man konzentrierte sich schließlich auf den einfacheren, oberflächlichen Abbau. In die Zeit, als der Graphitabbau für die Bauern immer schwieriger wurde, fällt auch die Gründung der „Graphit Kropfmühl AG“. Erfolgreiche Techniken und wegweisende Patente wurden hier in Kropfmühl entwickelt. Der technische Fortschritt löste den bäuerlichen Abbau nach und nach ab. Ende der 1930er Jahre ging es für die Millionenbauern zu Ende. Graphitförderung und –verarbeitung wurden völlig industrialisiert. Nach dem 2. Weltkrieg blieb schließlich nur noch die Graphit Kropfmühl AG bestehen. Ihre Schürfrechte verpachteten oder verkauften die Bauern nach und nach. Wessen Grund und Boden ein gutes Vorkommen hatte, der konnte sich zurücklehnen und mit der Pacht verdienen. Der industrialisierte Abbau brachte der Region um Hauzenberg und Untergriesbach viele Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum. 

Graphit, ein wichtiger Rohstoff - damals wie heute

Eines ist geblieben – auch wenn sich die Technik durch den Fortschritt veränderte: Früher wie heute benötigt man Graphit für die Herstellung alltäglicher Dinge. Darunter verschiedene Schmierstoffe und Bleistifte. Mittlerweile ist er auch wichtiger Bestandteil zur Herstellung von Dämmstoffen, Kohlebürsten, aber auch für die Stahl- und Eisen- sowie Automobilindustrie. Die negativen Elektroden von Lithium-Ionen-Akkus bestehen beispielsweise aus Graphit. Verwendung finden sie nicht nur in Elektroautos und E-Bikes, sondern auch in Smartphones, Notebooks und Tablets. 

Die Nachfahren der einstigen „Millionenbauern“ haben mittlerweile zu tun, um die einst so prächtigen Bauten ihrer Familien zu erhalten. Heute wird in Kropfmühl nur noch wenig Graphit abgebaut. Im Besucherbergwerk und dem Museum „Graphiteum“ kann man die Geschichte und den Graphitabbau hautnah erleben. Nach einem informativen Film führen erfahrene Bergmänner durch das Besucherbergwerk. Dazu geht es – eingekleidet mit Umhang und Schutzhelm – in den Berg hinein und dann 45 Meter in die Tiefe. Sommer wie Winter hat es im Stollen etwa 12 Grad. Eine richtig „coole“ Entdeckungsreise.

Pferdebahnradweg

Auf den Spuren der einstigen Pferdebahn lässt es sich heute prima radeln.

Einstiegspunkt in den Pferdebahnradweg ist am Parkplatz 1, in der Hauzenberger Straße in Untergriesbach. Die Strecke führt dann zwischen Wiesen und Wälder über Rampersdorf nach Kropfmühl und schließlich Hauzenberg.

Text: Zweckverband Tourist-Information Passauer Land 
© Donaudruck, Vilshofen 2018